PORTRAIT

Wenn einen die Augen der abgebildeten Person verfolgen. Sie sind immer auf Sie gerichtet. Wo auch immer man sich im Raum befindet, die geheimnisvollen Blicke scheinen einen auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Schon seit ich ein kleines Mädchen bin,  hält mich die Faszination der „verfolgenden Blicke“ in Atem.

Ob ich schon staunend stehe unter Paul Trogers Deckenfresko (1731) im Marmorsaal der Melker Stiftsbibliothek oder vor der koptische Mariendarstellung (12./13. Jahrhundert) in der Hängenden Kirche in Kairo, das Mysterium bleibt das selbe. Der Blick der Person ist starr nach vorne gerichtet, eine optische Täuschung in unserem Gehirn wähnt uns vom Abbild verfolgt zu werden. Das Augenpaar des Betrachters jedoch wird permanent nachjustiert und so entsteht der Eindruck eines andauernden Blickkontaktes. Das berühmteste Beispiel ist Mona Lisa, die mit leichtem Silberblick jeden Punkt des Raumes scheinbar überblickt.  Schon 1859 versuchte der Franzose La Gournerie den optischen Effekt in mathematische Formeln zu gießen. Er konnte jedoch nicht exakt beweisen, was genau passiert. Erst heute können Forscher zeigen, dass die Änderung des Sichtwinkels einen nur sehr geringen Einfluss auf die Wahrnehmung eines Bildes hat. Entfernte und nähere Punkte bleiben die gleichen. Was sich stark verändert jedoch, ist die Hell-Dunkelwahrnehmung bei plastischen Objekten. Flächige Bereiche eines Objekts behandelt das Gehirn wie dreidimensionale Objekte.

Control, 2022, Oil on Canvas, on Textile, Sewings